Rehabilitation

Wie eingefroren: Übungen gegen Freezing bei Morbus Parkinson

Hannes Aftenberger 7. März 2023 6 Minuten
Gefühl des Einfrierens der Füße bei Parkinson - Übungen

Das Symptom Freezing of Gait und wie man dem gezielt entgegenwirken kann

Morbus Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die sehr langsam voranschreitet. Im Verlauf der Erkrankung treten eine Reihe von Symptomen auf, die angefangen von Zittern bis hin zur Starre von bestimmten Körperteilen reichen. Eines davon ist das sogenannte Freezing, bei dem die Beine plötzlich erstarren und kein Fuß mehr vor den anderen gesetzt werden kann. In diesem Blog zeigen wir, wie diese Gangblockade durch Verhaltensänderungen und gezielte Übungen positiv beeinflusst werden kann.

Wenn die Beine erstarren –  das motorische Symptom „Freezing of Gait“

Als Betroffener kennen Sie es vielleicht: Man geht in der Wohnung herum und will in ein anderes Zimmer abbiegen. Plötzlich geht aber gar nichts mehr. Die Schritte werden immer kleiner, man kommt schließlich komplett zum Stillstand und kann sich plötzlich keinen Zentimeter mehr vorwärts bewegen. Manche Patienten beschreiben auch, dass es ihnen zwar noch möglich ist, kleine Schritte am Platz zu machen, sie sich aber trotzdem nicht vom Fleck bewegen können. Ein Gefühl, als ob die Füße eingefroren wären, kommt in ihnen hoch. Dieser Zustand kann unterschiedlich lange dauern: angefangen von einigen Minuten bis zu einer halben Stunde oder auch länger.

In den meisten Fällen tritt das Erstarren der Beine auf, wenn Betroffene zu gehen beginnen (wie eine Art Starthemmung), Drehungen ausführen, enge Durchgänge wie Türen passieren, duale Tasks ausführen (wie sprechen während des Gehens) oder sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen. In der Fachliteratur wird dieses Symptom „Freezing of Gait (FOG)“ genannt und ist neben der posturalen Instabilität (Haltungsinstabilität) eines der auffälligsten Zeichen einer Parkinson Erkrankung. Im folgenden Text wird Freezing of Gait als „FOG“ abgekürzt. 

Management des FOG durch Aufmerksamkeitsschulung und weitere Übungen

Patienten, Therapeuten und Studien beschreiben verschiedene Übungen und Methoden, mit denen man Freezing beeinflussen kann. Dies geht einerseits mit der Lenkung der eigenen Aufmerksamkeit auf das Gehen: Auch wenn das Symptom noch nicht spürbar ist, sollte man die Aufmerksamkeit bewusst auf die eigenen Schritte lenken. Dadurch kann das FOG hinausgezögert oder im Idealfall sogar verhindert werden.

Hat das FOG bereits eingesetzt, gibt es ebenfalls Maßnahmen und Möglichkeiten, um im Moment der Unbeweglichkeit wieder aus dem Freezing herauszufinden. Außerdem gibt es auch Übungen, die – wenn sie regelmäßig gemacht werden – die Freezing-Attacken nach und nach reduzieren können.

 

Aufmerksamkeit und Fokus während des Gehens

Alles beginnt mit der Selbstbeobachtung: Vielleicht sind die kritischen Stellen in der Wohnung bereits bekannt oder es sind immer wieder gewohnte Wege, an denen es tendenziell eher zu einem FOG kommt? Viele Patienten berichten auch von bestimmten Tageszeiten, zu denen das FOG eher auftritt oder sie haben einen Zusammenhang mit ihrer Medikamenteneinnahme feststellen können. Sind all diese Dinge einmal bekannt, kann das FOG Management verbessert werden und Sie können sich von Mal zu Mal besser auf das FOG vorbereiten.

Tritt nun der Fall ein, dass Sie das Gefühl haben, sich unmittelbar vor einem FOG zu befinden und es beim Gehen zu Schwierigkeiten kommen könnte, versuchen Sie bewusst, vermehrt große und rhythmische Schritte zu machen. Oder probieren Sie, die Knie betont höher als normal und nötig zu heben. Besonders beim Drehen in eine andere Richtung sollte man darauf achten, dass die Schritte sehr deutlich ausgeführt werden. Durch aufmerksames und bewusstes Setzen jedes einzelnen Schrittes kann so das FOG beeinflusst werden.

 

Wie man mit Gangtraining das FOG beeinflussen kann

Sowohl Patienten mit Morbus Parkinson berichten davon als auch in der Literatur gibt es deutliche Hinweise dazu, dass ein Gangtraining das FOG positiv beeinflussen kann. Einige dieser Vorschläge möchten wir Ihnen vorstellen und zeigen, wie Sie Ihr Training damit gestalten können. 

 

Definieren Sie eine bestimmte Gehstrecke und versuchen Sie, diese in unterschiedlichen Varianten zu gehen:

Variante 1: Gehen Sie in großen Schritten vorwärts und danach rückwärts.

Variante 2: Achten Sie beim Gehen auf eine gleichmäßige Spurbreite.

Variante 3: Gehen Sie und heben Sie bei jedem Schritt das jeweilige Knie hoch an.

Variante 4: Machen Sie beim Gehen große Seitwärts-Schritte in beide Richtungen.  

Die Übungen können Sie steigern, indem Sie Ihre Arme beim Gehen gleichmäßig mitbewegen; das heißt, die Arme schwingen gegengleich – ähnlich wie zwei Pendel – vor und zurück.

 

Tipps für das Gangtraining

  • Beim Gangtraining ist unbedingt auf eine sichere Umgebung zu achten. Bevor Sie starten, vergewissern Sie sich, dass alles aus dem Weg geräumt ist, damit keine Sturz- bzw. Verletzungsgefahr besteht.
  • Überfordern Sie sich nicht: Wählen Sie zuerst eine Distanz, die Sie leicht bewältigen und bei der Sie nicht außer Atem kommen. Mit der Zeit und zunehmender Übung können Sie die Länge der Gehstrecke nach und nach steigern. Wenn nötig, können Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit auch Hilfsmittel wie zum Beispiel Stöcke verwenden.
  • Sollten Sie wenig Platz in Ihrer Wohnung zur Verfügung haben, denken Sie daran, dass Sie auch im Kreis gehen können, während Sie die Übungen ausführen. In jedem Fall sollte der Gang rhythmisch und gleichmäßig bleiben.
  • Scheuen Sie sich nicht, auch Ihren Therapeuten bzw. Ihre Therapeutin nach Unterstützung zu fragen: Er oder sie kann mit Ihnen ein persönliches Gangtraining erarbeiten, das ganz auf Ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt ist.

 

Gezieltes Gangtraining als Übungen gegen Freezing bei Parkinson
Es gibt verschiedene Möglichkeiten des Gangtrainings, die sich beim Management von Freezing bewährt gemacht haben.

„Cueing“ – ein Impuls, der befreien kann

Mit „Cueing“ wird ein Impuls bezeichnet, der dabei hilft, im Gangrhythmus zu bleiben oder sich aus dem Gefühl des „Festgefrorenseins“ zu befreien. Dieser Impuls kann sowohl auditiv, visuell als auch taktil sein. Er kann entweder von Ihnen selbst oder unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln gesetzt werden:

 

Auditives Cueing

Setzen Sie bei den oben genannten Übungen einen Impuls, indem Sie…

… laut und rhythmisch mitzählen.

… ein rhythmisches Lied singen.

Bedienen Sie sich dabei verschiedener Hilfsmittel: Sie können sich Kopfhörer aufsetzen und sich das Lied oder den Rhythmus vorspielen lassen. Probieren Sie verschiedene Versionen und Methoden aus und finden Sie für sich heraus, ob es für Sie effektiver ist, selbst zu zählen oder die Kopfhörer zu Hilfe zu nehmen. Einige Patienten schaffen es sogar, sich mit lautem Zählen auch aus der bereits eingetretenen Unbeweglichkeit zu befreien. 

 

Visuelles Cueing

Neben dem akustischen Reiz gibt es auch das visuelle Cueing, bei dem ein optischer Impuls gegeben wird. In der Praxis sieht das folgendermaßen aus:

Variante 1: Wählen und definieren Sie auf Ihrer Gehstrecke Abstände, die Sie mit dem nächsten Schritt erreichen wollen.

Variante 2: Je nach Möglichkeit können mithilfe eines Klebebandes Linien am Fußboden markiert werden, über die gestiegen werden soll.

Variante 3: Eine weitere Möglichkeit sind spezielle Adaptierungen für Stöcke, die einen Laserstreifen vor Ihre Füße auf den Boden projizieren, über den man steigen soll. Fragen Sie am besten Ihren Orthopädiemechaniker, der Ihnen bestimmt bei der Beschaffung eines solchen Produkts behilflich sein kann.

 

Taktiles Cueing

Beim taktilen Cueing erfolgt ein Berührungsreiz in Form eines leichten rhythmischen Schlagens auf die Oberschenkel während des Gehens – das kann den Bewegungsfluss positiv beeinflussen. Auch dazu gibt es Geräte, die man an den Beinen anbringen kann und die über einen Vibrationsimpuls zum Gehen auffordern.

 

Übungen bei Parkinson: Trainieren in der Gruppe

In der Gruppe zu üben und zu trainieren, bringt nicht nur mehr Spaß und Motivation, auch der gegenseitige Austausch über Parkinson wird gefördert.

Trainieren und üben in der Gruppe

Das Training alleine zu Hause kann mit der Zeit eintönig werden. Suchen Sie sich eine geeignete Gruppe, in der Sie gemeinsam mit anderen üben und sich gegenseitig motivieren können. Informieren Sie sich bei Ihrem Therapeuten oder Ihrer Therapeutin, suchen Sie nach Selbsthilfegruppen oder recherchieren Sie im Internet, ob in Ihrer Umgebung ein Gangtraining in der Gruppe angeboten wird. In Studien konnte gezeigt werden, dass gerade das Freezing – wenn man es in der Gruppe trainiert – positiv beeinflusst werden kann. Dazu zählt übrigens auch regelmäßiges Tanzen.

Das Laufband als sichere Trainingsoption

Auch das Training am Laufband hat für Patienten mit der Parkinson-Krankheit eine Reihe von Vorteilen. Man ist unabhängig von Wind und Wetter und kann dadurch regelmäßig trainieren. Durch die Haltegriffe kann auf sichere Art und Weise geübt werden, da man sich jederzeit daran festhalten kann. Mittlerweile gibt es eine große Auswahl an Laufbandmodellen für zu Hause. Wer selbst nicht in ein Gerät investieren will, kann es aber alternativ im Rahmen eines Fitnessstudio-Abos oder einer Trainingstherapie nutzen. Untersuchungen haben gezeigt, dass regelmäßiges Laufbandtraining dem Freezing entgegenwirken kann. Dabei scheint diese Art des Trainings schon nach wenigen Wochen einen positiven Effekt zu haben. Aber auch hier sollte man sich zuerst von einem Experten beraten lassen: Der behandelnde Therapeut bzw. Therapeutin erklärt Ihnen gerne die korrekte Bedienung und Einstellung des Gerätes.

Übung bei Parkinson: Laufbandtraining gegen Freezing
Durch das Training am Laufband konnten positive Effekte auf das Freezing of Gait beobachtet werden – und das teils schon nach wenigen Wochen.

Die Diagnose Parkinson und die damit einhergehenden Symptome können das Leben von Patienten oft stark einschränken. Richtige Übungen und eine regelmäßige Trainingsfrequenz können aber dabei helfen, wieder mehr Sicherheit und Selbstbestimmtheit im Alltag zu erlangen.


Quellenangabe:

DGNR – Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation e.V. (n.d.). 2017, from http://www.dgnr.de/ 

Ginis, P., Nackaerts, E., Nieuwboer, A., & Heremans, E. (2018). Cueing for people with Parkinson’s disease with freezing of gait: A narrative review of the state-of-theart and novel perspectives. Annals of Physical and Rehabilitation Medicine61(6), 407–413.

Gómez-González, J., Martín-Cashttps://doi.org/10.1016/j.rehab.2017.08.002as, P., & Cano-de-la-Cuerda, R. (2019). Effects of auditory cues on gait initiation and turning in patients with Parkinson’s disease. Neurología (English Edition), 34(6), 396–407.

Nieuwboer, A., Kwakkel, G., Rochester, L., Jones, D., van Wegen, E., Willems, A. M., Chavret, F., Hetherington, V., Baker, K., & Lim, I. (2007). Cueing training in the home improves gait-related mobility in Parkinson’s disease: The RESCUE trial. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 78(2), 134–140.

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