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Gesundheit

Streicheln als Therapie? – Tiere im Einsatz für die Gesundheit

24. Januar 2023 5 min. Lesezeit

Tiere sind gern gesehene Gäste in der stationären und ambulanten Therapie. Sie bieten Ablenkung vom Therapiealltag und sind bei Kindern sowie Erwachsenen gleichermaßen beliebt.

Was sind die Besonderheiten in der Arbeit mit Tieren der Therapie? Wo können Tiere eingesetzt werden? Welche Wirkungen lassen sich erwarten? Lesen Sie mehr in unserem Blog-Artikel:

Mädchen spielt mit Katze und Hund

Was versteht man unter tiergestützter Intervention?

Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist das zentrale Element der tiergestützten Intervention. Tiere werden eingesetzt, um die psychische Gesundheit und die soziale, emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu fördern.

Tiere können in der Therapie bei vielen Erkrankungen und Problemen hilfreich eingesetzt werden. Anwendungsfelder sind unter anderem Schmerzmanagement bei chronischen Erkrankungen, körperliche Einschränkungen, bei Patienten in Langzeitpflege oder Seniorenheimen, Depression, Demenz, Autismus, psychiatrische Störungsbilder, Entwicklungsstörungen sowie posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS).

In der Arbeit mit Tieren steht der „One-Health“-Gedanke im Vordergrund: Das Wohlergehen von Mensch und Tier ist unmittelbar miteinander verknüpft. Nur wenn es dem Tier gut geht, kann es auch dem Menschen gut gehen und umgekehrt. Positive und nachhaltige Effekte können nur erzielt werden, wenn auf das Wohl von beiden gleichermaßen geachtet wird.

Es können sowohl Heim- als auch Nutztiere zum Einsatz kommen. Häufig werden Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen und Hunde verwendet. Auch landwirtschaftliche Nutztiere wie Ziegen, Esel, Pferde oder Lamas können erfolgreich in der Therapie eingesetzt werden.

In der tiergestützten Intervention unterscheidet man zwischen einem therapeutischen und einem pädagogischen und/oder sozialen Arbeitsbereich:

  • Tiergestützte Therapie

Tiergestützte Therapie wird von ausgebildeten Fachkräften wie Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, Psychotherapeuten, Sozialtherapeuten oder Humanmedizinern angewendet.  

Tiergestützte Therapie ist keine eigenständige Therapiemethode. Die Grundlage bilden immer therapeutische Methoden. Das Tier wird in die jeweilige Therapie miteinbezogen, zum Beispiel bei der tiergestützten Physiotherapie, um Verbesserungen auf physischer, kognitiver, verhaltensbezogener und/oder sozioemotionaler Ebene zu bewirken.

  • Tiergestützte Pädagogik (= tiergestützte Erziehung)

Speziell ausgebildete Pädagogen (allgemeine Pädagogik und Sonderpädagogik) nutzen Tiere, um die Erreichung von akademischen Zielen, sozialen Fertigkeiten und kognitiven Funktionen zu fördern.

  • Tiergestützte Aktivität

Tiergestützte Aktivität kann unabhängig von einem therapeutischen oder pädagogischen Beruf ausgeführt werden. Das Tier wird eingesetzt, um Motivation und Entspannung bzw. Erholung zu unterstützen. Es können auch erzieherische und/oder bildende Ziele angestrebt werden.


Welchen Effekt haben Tiere in der Therapie?

Soziale Effekte

Ist ein Tier anwesend, kommen Menschen miteinander leichter ins Gespräch. Die Anwesenheit von Tieren fördert somit die soziale Interaktion. Dies wird als „sozialer-Katalysator-Effekt“ bezeichnet.

Der soziale Effekt wird in der Therapie genutzt, um das Vertrauen in die medizinische Fachkraft zu stärken: Tritt ein Therapeut in Begleitung eines freundlichen Tieres in Kontakt mit Patienten, so wird der Therapeut durch die Anwesenheit des Tieres als vertrauenswürdiger wahrgenommen.

Psychologische Effekte

Der Kontakt zu Tieren fördert die Konzentration und Motivation. Die Stimmung verbessert sich und depressive Symptome reduzieren sich. Daher werden Tiere oft bei psychischen Erkrankungen eingesetzt.

Die Anwesenheit von Tieren reduziert Ängste – vor allem vor und während stressauslösenden Situationen. Dieser psychologische Effekt kommt stark bei chronischen Erkrankungen, in der Rehabilitation und Psychotherapie zum Einsatz.

Neurobiologische Effekte

Das Streicheln von Tieren führt zu einer Senkung unseres Cortisolspiegels, dem sogenannten „Stresshormon“. Durch den Kontakt zu Tieren reduzieren sich auch Blutdruck und Herzfrequenz.

Chronische Erkrankungen oder schwerwiegende gesundheitliche Ereignisse können den Körper in einen Dauerstresszustand versetzen. Körper und Geist sind in einer Stressspirale gefangen. Tiere holen Betroffene zumindest für eine kurze Zeit aus dieser Stresssituation heraus und fördern Erholung und Entspannung.


Wie funktioniert tiergestützte Intervention?

Es gibt verschiedene Konzepte, die die positive Wirkung von tiergestützter Arbeit erklären. Auszugsweise werden hier drei Theorien vorgestellt:

  • Bindungsforschung

Bei Körperkontakt – egal ob mit Mensch oder Tier – kommt es zur Ausschüttung des Kuschelhormons Oxytocin. Die Aktivierung von Oxytocin erzeugt Gefühle von Zufriedenheit, Wohlbefinden und Entspannung. Dies ist wichtig, damit sich der Körper nach einem Unfall oder mit einer chronischen Einschränkung regenerieren kann.

Streicheln, Kümmern oder Spielen mit einem Tier löst eine globale Bindungsreaktion aus. Dadurch wird der Mensch offener, vertrauensvoller und aufgeschlossener. Dies kann positive Auswirkungen auf die Therapie haben.

  • Biophilie

Biophilie beschreibt den Bezug von Mensch zur Natur und zum Leben. Die Abtrennung von dieser grundlegenden Verbundenheit kann zu Krankheit und Unzufriedenheit führen.

Durch die tiergestützte Intervention wird ein Wiederentdecken und Eintauchen in die Natur ermöglicht. Weiters entsteht der sogenannte Biophilie-Effekt: Das Verhalten von Tieren hat direkte Auswirkung auf den Menschen. Ruhige Tiere sorgen für ein Gefühl von Entspannung und Sicherheit bei Menschen.  

  • Humanistische Psychologie

In der humanistischen Psychologie geht man davon aus, dass jedes Lebewesen über eine eigene Kraft zu Wachstum und Entfaltung verfügt. Diese Kraft wird als Selbstaktualisierungstendenz bezeichnet.

Um die Selbstaktualisierungstendenz zu fördern, braucht es drei Grundbedingungen in der Interaktion mit der Umwelt:

  • Bedingungslose positive Wertschätzung
  • Empathie: sich in die Welt des anderen einfühlen können
  • Kongruenz: Haltung der Echtheit, Wahrhaftigkeit und Offenheit

Tiere erfüllen diese drei Grundbedingungen. Es entsteht eine wachstumsfördernde Atmosphäre, die großes Potential für Veränderung mit sich bringt.

Hund und Kleinkind sehen sich an

Hunde in der Therapie

Hunde sind besonders beliebt in der Therapie. Hunde sind unvoreingenommen, vorurteilsfrei und ehrlich. Sie bringen Abwechslung in den Alltag, fördern Zuwendung und körperliche Nähe. Dadurch können sie in verschiedenen Feldern der tiergestützten Intervention eingesetzt werden.

  • Therapiebegleithund / Besuchshund / Stationshund

Der Therapiebegleithund wird in einen bestehenden therapeutischen Prozess eingegliedert. Dies ist sowohl im Einzelsetting als auch in einer Gruppe möglich.

Bei Besuchshunden ist die alleinige Anwesenheit ausreichend. Besuchshunde fördern die Mobilität von Patienten, bieten Gesprächsstoff und helfen bei der Aufnahme von Kontakten und Beziehungen im Umfeld.

Stationshunde leben in einer Einrichtung oder werden von Mitarbeitern in die Einrichtung mitgebracht. Nur die wenigsten Hunde eignen sich für den „Dauereinsatz“.

  • Schulhund / Präsenzhund / Schulbesuchshund

Der Schul- oder Präsenzhund wird regelmäßig vom pädagogischen Personal für eine bestimmte Zeit in den Unterricht gebracht. Die Interaktion mit dem Tier fördert das Klassenklima, die Beziehung zwischen Schülern und Lehrer sowie die sozialen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen.

Schulbesuchshunde kommen einmalig oder unregelmäßig in den Unterricht. Die Vermittlung altersgerechten Wissens über Hunde stehen im Vordergrund.

 

Autor: Saskia Wibner


Quellen:

Julius, Beetz, Kotrschal, Turner, Unväs-Moberg (2014) : Bindung zu Tieren. Psychologische und neurobiologische Grundlagen tiergestützter Interventionen. Hogrefe-Verlag

Prothmann A. (2008) : Tiergestützte Therapie – Medizin mit Streichelfaktor?. Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Beetz A. : Tiere in der Therapie – Wissenschaftliche Grundlagen. Handout zur Einführung

in die Weiterbildung Tiergestützte Pädagogik und Therapie

Animal-Assisted Therapy Improves Communication and Mobility among Institutionalized People with Cognitive Impairment, 2020

Animal assisted therapy: systematic review of literature, 2019

The IAHAIO definitions for animal assisted intervention and guidelines for wellness of animals involved in AAI, Whitepaper, 2018


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