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Rehabilitation

Neuroplastizität – So funktionieren Lernen und Rehabilitation

28. März 2022 4 min. Lesezeit

Das menschliche Nervensystem besteht aus zwei Systemen: das zentrale Nervensystem sowie das periphere Nervensystem. Gehirn und Rückenmark bilden das zentrale Nervensystem. Als „Dirigent“ koordiniert es alle Vorgänge im menschlichem Organismus.

Darstellung eines Gehirns als Labyrinth

Nervensystem: Wie Gehirn und Körper miteinander kommunizieren

Das periphere Nervensystem durchzieht den Körper wie ein Netz. Es fungiert als „Späher“ und meldet Informationen aus der Umgebung an das Gehirn. Gleichzeitig leitet es Anweisungen vom Gehirn an Arme, Beine und den restlichen Körper weiter. Nervensystem und Körper stehen über elektrische Impulse in einem ständigen Austausch.

Beispiele für das Zusammenspiel von zentralem und peripherem Nervensystem:

  • In unserer Haut befinden sich Zellen, die zum peripheren Nervensystem gehören. Diese senden an das Gehirn u.a. Informationen über die Außentemperatur. Erhält das Gehirn die Information „Es ist heiß.“, aktiviert es unsere Schweißdrüsen, um uns abzukühlen. Erhält es hingegen die Information „Es ist kalt.“ werden Muskelkontraktionen ausgelöst, um mit Zittern den Körper aufzuwärmen.
  • Unsere Nase ist als Sinnesorgan ebenfalls Teil des peripheren Nervensystems. Über die Nase nehmen wir Gerüche auf. Das Gehirn ordnet den Geruch ein und reagiert darauf. Jeder kennt es, wenn uns beim Geruch nach frischgebackenem Kuchen sprichwörtlich „das Wasser im Mund zusammenläuft“.

Neuroplastizität oder wie Lernen funktioniert

Stellen wir uns einmal vor, unser Gehirn gleicht einem Straßennetz. Dort gibt es stark und weniger stark befahrene Straßen. Häufig genutzte Straßen sind so breit wie Schnellstraßen. Selten befahrene Straßen gleichen engen, schlecht asphaltierten Gassen.

Um aus den Gassen Schnellstraßen zu machen, müssen wir beginnen diese häufiger zu nutzen. Langsam, aber kontinuierlich, beginnt unser Gehirn die Gassen zu verbessern. Es entstehen neue Schnellstraßen.

Wissenschaftlich betrachtet, beschreibt der Begriff Plastizität die Fähigkeit des Gehirns zur Umgestaltung von Zellarchitektur, -struktur und -funktion. Das Gehirn ist formbar wie Plastik. Daher stammt auch der Begriff Neuroplastizität.

Können Sie sich noch erinnern, wie es sich angefühlt hat, dass erste Mal Autozufahren? Kupplung steigen, schalten, Schulterblick und den Verkehr im Auge zu behalten können überfordernd sein. Heute passiert alles wie automatisch. Das ist Neuroplastizität!


Wie sich das Gehirn verändert

Neurogenese – kontinuierliche  Bildung neuer Nervenzellen (egal in welchem Alter!)

Neue Synapsen – neue Erfahrungen lassen neue Verbindungen entstehen

Gestärkte Synapsen – häufige Wiederholung und Übung stärken neuronale Verbindungen

Geschwächte Synapsen – nicht genutzte Verbindungen werden schwächer bzw. inaktiv


Mädchen das mit grüner Knetmasse spielt

Das Prinzip der Neuroplastizität in der Rehabilitation nutzen

Durch einen Schlaganfall oder ein Schädel-Hirn-Trauma entstehen Schäden in bestimmen Gehirnarealen. Metaphorisch entsteht durch eine neurologische Schädigung eine Straßensperre im Verkehrsnetz. Je nachdem, welche Gehirnbereiche betroffen sind, ist entweder die Straße vom Gehirn zum Körper (efferente Nervenbahnen) oder vom Körper zum Gehirn (afferente Nervenbahnen) schlecht befahrbar. Es kann zu Lähmungserscheinungen, Spastiken oder Wahrnehmungsstörungen kommen.

Während Lernprozessen und Training verändert sich das Gehirn. Ist eine Straße gesperrt, sucht sich das Nervensystem automatisch neue Wege. Je öfter wir die neuen Wege nutzen, umso breiter werden sie und umso einfacher können sie befahren werden.

Nach einem Schlaganfall kann es vorkommen, dass die Finger nicht mehr willentlich angesteuert werden können. Regelmäßiges, gezieltes Bewegen und Trainieren der Finger kann dazu führen, dass sich die zuständigen Hirnareale neu vernetzen. Es entstehen neue Nervenbahnen, die das Ansteuern der Finger wieder möglich machen.

Man kennt dieses Phänomen von Musikern: Bei Streichmusikern konnte nachgewiesen werden, dass die Areale ihrer Hirnrinde, die für die Finger verantwortlich sind, größer sind, als jene von Menschen, die niemals ein Streichinstrument erlernt haben.

Neurologische Beeinträchtigungen können sich endgültig anfühlen. Das müssen sie aber nicht sein. Das Gehirn besitzt die Fähigkeit sich zu verändern.

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über Möglichkeiten der Funktionsverbesserung durch Neuroplastizität nach neurologischen Schäden oder Krankheiten.

 

 

Autorin: Michaela Partel


Quellen:

Annunciato, N. (2021). Seminar: Plastizität des Nervensystems. Wien: Physiozentrum für Weiterbildung

De Gruyter, W. (2017). Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 267. Auflage. Berlin / Boston

Nowak, D. (2011). Handfunktionsstörungen in der Neurologie. Würzburg: Springer Verlag

Principles of Experience-Dependent Neural Plasticity: Implications for Rehabilitation After Brain Damage, 2008

De Marées, H. (2003). Sportphysiologie. Köln: Sportverlag Strauss                    

Increased Cortical Representation of the Fingers of the Left Hand in String Players, 1995


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