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Gesundheit
Rehabilitation

Bobath-Therapie-Konzept in der Physiotherapie: Die wichtigsten Fakten kurz erklärt

27. September 2021 3 min. Lesezeit

Das Bobath-Therapie-Konzept wird in der Physiotherapie zur Behandlung neurologischer Bewegungsstörungen im Kindes- und Erwachsenenalter herangezogen. Die Plastizität des Gehirns spielt hierbei eine zentrale Rolle. Im Unterschied zu anderen Therapiekonzepten gibt es im Bobath-Therapie-Konzept keine standardisierten Übungen. Was das Bobath-Therapie-Konzept ist und wie es zur Behandlung eines Schlaganfalls, Multipler Sklerose oder anderen neurologischen Schädigungen herangezogen werden kann, erfahren Sie im nachfolgenden Artikel.

Die Therapeutin unterstützt den Patienten bei der Ausführung einer bestimmten Bewegung. Arm über Kopf.

Das Bobath-Therapie-Konzept – kurz erklärt:

24-Stunden-Management: Das Konzept begleitet Patienten den ganzen Tag. Pflegende Angehörige sowie andere Familienmitglieder im selben Haushalt werden einbezogen. Dem Patienten wird die eigene Verantwortlichkeit nähergebracht.

Ganzheitlichkeit: Patienten werden als Individuum in ihrer bio-psycho-sozialen Umwelt betrachtet. Körper, Psyche und soziales Umfeld spielen eine Rolle.

Handlungs- und Zielbezogenheit: Die Therapie wird auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt. Konkrete Ziele mit alltagsrelevantem Nutzen werden erarbeitet.

Theragnostik: Therapeut und Patient sind ein Team. Befundung und Behandlung finden als Interaktion statt. Der Patient arbeitet aktiv mit.

Intake und nicht nur „Input“: Sensomotorischer Erfahrungen werden aktiv aufgenommen. Der verstärkte Gebrauch der betroffenen Körperabschnitte steht im Vordergrund.

Prophylaxe von Sekundärschädigungen: Sekundärschädigungen können zusätzlich zur eigentlichen Schädigung auftreten. Beispiele hierfür sind offene Wunden durch Druckstellen, ungenügende Belüftung der Lunge durch gleichbleibende Positionen, oder Gelenkseinschränkungen. Diese sollen nach Möglichkeit verhindert werden.


Plastizität des Nervensystems – Was ist das?

Die neuronale Plastizität bezeichnet die lebenslange Lern- und Anpassungsfähigkeit des Nervensystems. Auch im fortgeschrittenen Alter kann das Gehirn noch Neues lernen.

Patient - Männlicher Kopf der eine Darstellung des Gehirns inkl. Nervenbahnen zeigt

Lernen geschieht durch die Reaktion auf innere Reize oder Umweltreize. Das daraus entstehende Wechselspiel zwischen der Umwelt und den inneren Bedürfnissen sorgt für einen ständigen, für das Nervensystem wichtigen Informationsfluss.

Was ist zielgerichtetes Handeln?

Verspüren wir Durst, gehen wir diesem inneren Bedürfnis nach. Ist das Glas leer, müssen wir es auffüllen (Interaktion mit der Umwelt). Dann können wir den Durst löschen (Befriedigung des inneren Bedürfnisses). Man spricht von einer zielgerichteten Handlung. Durch die Bobath-Therapie sollen nicht nur „zufällige“, sondern „richtige“ Verknüpfungen gebildet werden. Physiologische (=natürliche) Bewegungsabläufe werden wiedererlernt und in den Alltag integriert.

Befund und Behandlung nach dem Bobath-Konzept

Neurologische Erkrankungsbilder sind sehr vielfältig und daher in der Befundung sowie Behandlung sehr komplex. Das Beobachten und Analysieren von Bewegungsmustern ist die Basis für die Befundung nach dem Bobath-Konzept. Es wird zwischen physiologischen und pathologischen Bewegungsmustern unterschieden.
In der weiteren Arbeit mit dem Bobath-Konzept sollen Bewegungsabläufe so früh wie möglich wieder physiologisch erlernt werden. Die Neuverknüpfungsprozesse im Körper beginnen unmittelbar nach einer Schädigung und werden kontinuierlich fortgeführt. Daher ist die frühe und adäquate Reizsetzung ein essentieller Grundstein der Therapie.

Schlaganfall und das Bobath-Konzept

Nach einem Schlaganfall kommt es häufig zu einer halbseitigen Lähmung des Körpers (Gesicht / Rumpf / Arm / Bein). Die Aktivierung und das Einbeziehen der betroffenen Körperseite ist zentraler Bestandteil der Bobath-Therapie. Der Physiotherapeut analysiert die Ausgangssituation und ein gemeinsames Ziel wird formuliert. Die verlorengegangenen Bewegungsabläufe sollen durch adäquate Reize „neu erlernt“ werden.

Jemand füllt sich ein Glas Wasser aus dem Wasserhahn. Zwei Hände sind zu sehen.

„Ich möchte selbst ein Glas Wasser einschenken können!“

Ein Patient äußerst den Wunsch, ein Glas wieder selbstständig füllen zu können. Dafür müssen verschiedene Bewegungskomponenten analysiert und erarbeitet werden:

  • Öffnen / Schließen der Hand
  • Strecken / Beugen im Ellbogengelenk
  • Anheben / Absenken des Schultergelenks

Weiters ist eine bestimmte Kraftdosierung notwendig.
Diese und weitere Komponenten des Einschenkens eines Wasserglases waren ursprünglich automatisierte Bewegungen. Sie waren durch tausendfache Wiederholung „eingespeichert“. Ein bewusstes Mitdenken war nicht mehr notwendig. Durch den Schlaganfall sind die entsprechenden Verknüpfungen im Gehirn zerstört oder beeinträchtigt worden. Der korrekte Bewegungsablauf ist nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt möglich. Die Bewegung muss neu erlernt werden.

Wie gelingt die Therapie?

Lernen ist ein komplexer Vorgang und von vielen weiteren Faktoren, wie z.B. Lust / Unlust, Sinnhaftigkeit, Abwechslung usw. abhängig. Immer gleich ablaufende Wiederholungen eines Bewegungsmusters ermüden das Gehirn und wirken dem Lernen entgegen. Eine sich laufend verändernde Umgebung, spielerischer Zugang, verschiedene Ausgangspositionen (Stehen, Sitzen, Gehen) und auch die Nutzung unterschiedlicher Therapiematerialien fördern die Vernetzung im Gehirn. Ebenso gehört das „Fehler machen“ zum Lernen dazu.

Sensomotorisches Lernen und somit das Abspeichern bestimmter Bewegungsmuster erfolgt über vielfache Wiederholung. Dadurch wird das Bewegungsmuster automatisiert. Adäquates Tempo, Geschicklichkeit und Koordination können wieder erreicht werden. Erst dann wird der Patient auch im Alltag wieder spontan den betroffenen Körperteil für die gewünschte Bewegung nutzen. Je physiologischer ein Bewegungsablauf stattfinden kann, desto eher entsteht eine Alltagsrelevanz.

Hilfsmittel wie z.B. Schienen oder Gehhilfen werden in der Bobath-Therapie vorübergehend als Unterstützung eingesetzt. Schlussendlich soll der Patient aber kontinuierlich und gezielt wieder in die Lage versetzt werden, seinen Alltag soweit möglich ohne fremde Hilfe und Hilfsmittel bewältigen zu können.

Innerhalb des Bobath-Konzeptes gibt es verschiedene Herangehensweisen, die alle ihre Berechtigung haben. In diesem Artikel wird nur ein Teilaspekt der Bobath-Therapie aufgegriffen.

 

Autorin: Saskia Wibner


Quellen:

The Bobath (NDT) concept in adult neurological rehabilitation: what is the state of the knowledge? A scoping review. Part I: conceptual perspectives (2015)

Effectiveness of the Bobath concept in the treatment of stroke: a systematic review (2020)

vgl.: Paeth Rohlfs Bettina: Erfahrungen mit dem Bobath-Konzept, Grundlagen – Behandlung – Fallbeispiele, Georg Thieme Verlag 1999, S. 25ff

vgl.: Paeth Rohlfs Bettina: Erfahrungen mit dem Bobath-Konzept, Grundlagen – Behandlung – Fallbeispiele, Georg Thieme Verlag 1999, S. XIV Präambel


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